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Stadtnachricht

Horb a. N. gedenkt den Opfern der Hexenverfolgung


Bis in die 1990er Jahre erwähnen Abhandlungen zur Horber Stadtgeschichte das Kapitel der frühneuzeitlichen Hexenverfolgungen nur beiläufig. Für eine Studienarbeit beginnt Johannes Dillinger, heute Professor an der Universität in Oxford, im Stadtarchiv Horb a. N. zu recherchieren. Seine Forschungen veröffentlichte er 1994 unter dem Titel „Hexenprozesse in Horb“ als Publikation in der Reihe des Kultur- und Museumsvereins Horb a. N. e. V. Mit seinen Grundlagenforschungen über dieses dunkle Kapitel der Horber Stadtgeschichte ebnete er den Weg für weitere Aufarbeitungen.

Straßenbenennung nach Christina Rauscher
Ein erstes sichtbares Zeichen des Auseinandersetzens mit diesem Teil der eigenen Geschichte setzte der damalige Gemeinderat im Jahr 2005: Er benannte auf Vorschlag des Kultur- und Museumsvereins Horb a. N. e. V. eine Straße im Baugebiet „Südlicher Hohenberg“ nach Christina Rauscher, nach jener Horberin, die mehrfach als Hexe bezichtigt und gefoltert wurde, jedoch tapfer widerstand und im frühen 17. Jahrhundert das Ende der grausamen Horber Hexenprozesse bewirkte.

Gemeinderat beschließt Resolution
Einige Jahre später verfolgte ein engagierter Mitbürger, Rudolf Bok aus Nordstetten, mit großer Beharrlichkeit sein Ziel der Wiederherstellung der Würde und Ehre aller Opfer der Horber Hexenverfolgung. Dies schlug sich nicht nur in lebhaften Diskussionen in der Presse nieder. In der Sitzung vom 17. Dezember 2019 verabschiedete der Gemeinderat der Stadt Horb a. N. eine offizielle Resolution, die im Gedenken an die damaligen Gräuel zugleich Mahnung für Gegenwart und Zukunft sein will. Verbunden mit der Resolution war der Wunsch, darüber hinaus in der Stadt Horb a. N. eine sichtbare und nachhaltige Form des Gedenkens an die frühneuzeitlichen Hexenprozesse zu schaffen. Diese komplexe Aufgabe wurde schließlich im Verlauf des Jahres 2022 umgesetzt.

Das von der Stadtverwaltung Horb a. N. unter Mitwirkung ehrenamtlicher Fachleute erarbeitete dreigliedrige Gesamtkonzept richtet sich an unterschiedliche Zielgruppen und spricht verschiedene Sinneswahrnehmungen an: Ein Online-Geschichtspfad, drei Informationstafeln an den historischen Schauplätzen sowie einem Mahnmal auf dem Galgenfeld sollen die Geschehnisse von einst greifbar machen und im Bewusstsein bewahren.

Pfeilspitzpyramide auf dem Galgenfeld enthüllt
Bei der Enthüllung des Mahnmals dankte Oberbürgermeister Peter Rosenberger allen an diesem Gesamtprojekt Beteiligten und ging auch auf die Bedeutung des Mahnmals als Ort der Erinnerung ein: „Der einstige Schreckensort, dort, wo einst beim Horber Galgen die vermeintlichen Hexen öffentlich enthauptet und Ihre Leichname sichtbar auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden, wird zu einer Gedenkstätte des Erinnerns und Besinnens, zum Ort der Mahnung an die Menschenwürde und die Menschenrechte,“ so Rosenberger. „Wir wollen aus der Geschichte lernen und gewonnene Erkenntnisse an nachfolgende Generationen weitergeben, um Gegenwart und Zukunft gemeinsam zum Guten zu gestalten“. Mit diesem letzten Satz aus der nun verewigten Resolution verband Oberbürgermeister Peter Rosenberger den Apell wachsam zu bleiben, um so zukünftigem Unrecht entgegenzutreten.

Mahnmal Enthüllung
Oberbürgermeister Peter Rosenberger enthüllte
mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Bürgerschaft und Geschichtsinteressierten das Mahnmal des Gemeinderats der Stadt Horb a. N. zum Gedenken an die Opfer der Hexenverfolgung.

Mahnmal Gruppenbild

Vertreterinnen und Vertretern aus Politik,
Bürgerschaft und
Geschichtsinteressierten am Mahnmal.

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Oxford-Professor hält Vortrag zur Hexenverfolgung
Der wissenschaftlich fundierte öffentliche Vortrag von Prof. Dr. Johannes Dillinger zur Geschichte der Hexenverfolgungen setzte dem Gedenktag seine Krone auf. Dillinger gilt inzwischen auch international als einer der führenden Experten auf dem Gebiet der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung. Dank seiner wissenschaftlichen Forschungsarbeit wissen wir, dass Horb a. N. im späten 16. Jahrhundert eine Hochburg der Hexenverfolgung war. Die Erklärung hierfür sieht Dillinger in der Tatsache, dass die Amtsführung des damaligen Horber Stadtrats die Regierung im fernen Innsbruck lange Zeit nicht kümmerte. Erst mit Christina Rauscher, einer geborenen Gerber (spätere Familie Gerbert), kam die Wende. Sie wurde mehrfach der Hexerei beschuldigt. Sie wurde gefoltert und verlor dabei ihr ungeborenes Kind. Dennoch wollte sie kein Geständnis ablegen, dieses hätte letzlich ihr Todesurteil bedeutet. Sie und ihr Mann wandten sich an die Regierung in Innsbruck und erlangten aufgrund ihres Einflusses in der Gesellschaft Gehör. Christina Rauscher wurde freigelassen, fortan setzte sie sich gegen das willkürliche Handeln der Obrigkeit in Horb a. N.  zur Wehr. Für Dillinger ist sie eine Heldin, er sieht es als ihren Verdienst an, dass die frühneuzeitlichen Hexenverfolgungen in Horb a. N. zu Beginn des 17. Jahrhunderts, viel früher als im restlichen Süddeutschland, abebbten. Das Interesse am Auftritt von Dillinger war groß, der Vortragsraum war mit über 80 Gästen bis auf den letzten Platz voll belegt.

Dreigliedriges Konzept zum Gedenken an die Opfer der Hexenverfolgung in Horb a. N.

Online-Entdeckertour
Auf Basis der wissenschaftlichen Forschungen von Prof. Dr. Johannes Dillinger wurde ein virtueller Themenrundgang von dem erfahrenden Stadtführer und Heimatgeschichtler Joachim Lipp initiiert und federführend gestaltet. Interessierte können dabei mittels ihres Smartphones selbständig den vier Kilometer langen Rundweg vom Flößerwasen hinauf zum Wasserturm und zurück zum Ausgangspunkt erwandern. Dabei werden Sie mittels eines Routenplaners durch die Tour navigiert. An drei der insgesamt neun Stationen können QR-Codes eingelesen werden, die weitere Informationen zu den historischen Zusammenhängen eröffnen. Eingebunden und abrufbar ist der lehrreiche Online-Geschichtspfad „Hexenverfolgung in Horb a. N.“ über das touristische Angebot der Stadt Horb a. N. unter www.horb.de/Entdeckertouren.

Informationstafeln am Marktplatz, Bürgerturm und Galgenfeld
InformationstafelEinen weiteren Bestandteil bilden drei bebilderte Informationstafeln an den historischen Schauplätzen. Diese vermitteln die Geschehnisse der Hexenprozesse auf dem Horber Marktplatz, der Folter und Kerkerhaft im Bürgerturm an der Sommerhalde und bei den Hinrichtungen auf dem Galgenfeld. Auch hier erleichtern QR-Codes den Einstieg in den Geschichtspfad.

Mahnmal des Gemeinderats auf dem Galgenfeld
Das Mahnmal auf dem Galgenfeld, hinter dem Horber Wasserturm, ist eine dreiseitige Pfeilspitzenpyramide aus Cortenstahl auf einem sechseckigen Fundament. In das widerstandsfähige Material ist der Wortlaut der Resolution des Gemeinderats der Stadt Horb a. N. auf drei gleichgroßen Flächen eingeschnitten. Die Pfeile stehen symbolisch für die Schwertspitze des Scharfrichters und für die Zielsetzung der Resolution. Das Gesamtobjekt ergibt das Bild der Flammen des Scheiterhaufens. Entwurf und Umsetzung dieses Mahnmals stammen von Agnes Maier, der für Kunst- und Kulturbeauftragten der Stadt Horb a. N. Der Aufbau erfolgte fachkundig durch den städtischen Bauhof.

Mahnmal am Wasserturm

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